Eine nachhaltige Entwicklung steht global auf der Agenda und die Weichen sind national und international trotz aller Dispute dafür gestellt. Doch in vielen Unternehmen – gerade im Mittelstand – wird die Notwendigkeit einer nachhaltigeren Ausrichtung oft noch unterschätzt. Fakt ist: Corporate-Learning-Verantwortliche sollten sich schon jetzt mit dem 1. Januar 2023 beschäftigen, denn ab diesem Stichtag werden im Rahmen des EU-Green Deal geschätzt ca. 5.000 Unternehmen in Deutschland ausführlich und mit aussagekräftigen Kennzahlen über die Nachhaltigkeit ihres Wirtschaftens berichten müssen. Der Nachhaltigkeitsbericht wird dabei in seiner Relevanz dem Finanzbericht gleichgestellt. Doch was bedeutet dies für HR und das Corporate Learning und wie können sie sich darauf vorbereiten? Der vorliegende Blog erläutert, welche strategische Relevanz die Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklung erhält und welche Rolle hierbei Digitalisierung, Unternehmenskultur und Lernen spielen.
Green IT spielt eine immer größere Rolle
Wir haben es im Kontext der Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaften und insbesondere mit Blick auf das globale Ziel Klimaneutralität mit einem tiefgreifenden Mind-Change zu tun. Denn was bedeutet nachhaltige Entwicklung? Im Sinne der Enkelgerechtigkeit ruhen die Hoffnungen auf Effizienz, Wandel des (westlichen) Lebens- und Arbeitsstils, Anpassung, Reduktion, Kreislaufwirtschaft und Innovation als die wirkungsvollsten Strategien. Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitsprozesse ist dabei Teil der Innovationsstrategie für Prozesse und Produkte. Ein klimaneutrales Corporate Learning sollte so viele digitale Lernformate und damit so viel Plattform- und Prozessdigitalisierung wie möglich etablieren. Präsenzlernen sollte wieder lokal und regional organisiert, nicht-lokales Expertenwissen über digitale und hybride Formate herbeigeholt werden.
Damit diese Strategien und ihre Umsetzung jedoch tatsächlich auf Klimaneutralität einzahlen, muss man sich genau mit den geforderten Parametern für das Nachhaltigkeitsreporting auseinandersetzen. Nehmen wir als Beispiel die Digitalisierung: Sie benötigt viel Energie und knappe Rohstoffe – „Green IT“ spielt deshalb zunehmend eine wichtige Rolle. Rechenzentren (Trend: Cloud-Lösungen) stellen zunehmend auf Ökostrom und insgesamt nachhaltigere Lösungen um. Künstliche Intelligenz (KI) birgt hohes strategisches und transformatives Potenzial – viele Machine Learning-Systeme haben jedoch auch einen sehr hohen Stromverbrauch. Sehr deutlich wird das in einem Artikel des MIT aus dem Juni 2019, in dem der CO2-Fußabdruck von KI-Modellen verglichen wurde. Je nach technologischer Komplexität und Datenmenge gab es hier große Unterschiede: von einer kleinen NLP-Pipeline mit 39 Pfund CO2-Ausstoß bis hin zu einem großen neuronalen Suchnetzwerk mit über 626,155 Pfund Emissionen. Jüngst haben die Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Lösung entwickelt, die nicht nur die Kosten senkt, sondern vor allem den CO2-Fußabdruck des AI-Trainings drastisch reduziert. Eine grüne Stromversorgung und effizientere Algorithmen sind also unerlässlich.
Welche Veränderungen sind nötig für die Entwicklung zum nachhaltigen Wirtschaften?
„Ich habe gelernt, dass man nie zu klein dafür ist, einen Unterschied zu machen.“
Greta Thunberg
Eine Transformation repräsentiert einen fundamentalen und dauerhaften Wandel, wie zum Beispiel die Industrielle Revolution oder auch die digitale Transformation. In den letzten beiden Jahren erlebten wir auf Grund der Corona-Pandemie viele tiefgreifende Veränderungen, wobei noch offen ist, was davon dauerhaft bleiben wird (Beispiele: Home-Office-Ausweitung, Ersatz von Geschäftsreisen durch Videokonferenzen). Die Treiber für Transformationen sind vielfältiger Natur, neben den Krisen sind es oft auch Gesetze, neue Technologien oder globale Ressourcenknappheit bzw. Neuentdeckung von Ressourcen, die radikale Veränderungen anstoßen.
Und wie sieht es in Unternehmen aus? Wenn die neue Strategie zu mehr nachhaltigem Wirtschaften nicht zur Unternehmenskultur passt, dann hat sie verloren! Wenn wir also etwas fundamental verändern wollen, müssen wir die Kultur „mitnehmen“. Doch Kulturveränderung ist in der Regel mühsam und langwierig; umso mehr, je stärker die Veränderung die Kultur in ihrem konstituierenden Kern betrifft. Wenn eine Veränderung Kernelemente der vorhandenen Kultur nicht antastet, kann es jedoch schneller gehen. Denn: Bei der Transformation, die den Unternehmen nun bevorsteht, ist der Faktor Zeit enorm wichtig!
Welche Hebel hat HR & Learning?
Neben konkreten Maßnahmen wie z.B. Green IT, Präsenzveranstaltungen im Freien, Einsatz von langlebigen Materialien, Zero Plastik sowie regionalen Lebensmitteln gibt es noch weitere Stellschrauben: Mit Blick auf die Nachhaltigkeit und das Reporting ist das Messen der Aktivitäten im Corporate Learning enorm wichtig. Folgende Fragestellungen können dabei eine Hilfestellung geben:
- Was sind effektiv die Wirkungen unserer Aktivitäten?
- Wo lohnt sich tatsächlich eine Änderung?
- Wo ist der Impact besonders groß (und der Aufwand dafür möglichst gering)?
- Wo ist eine Änderung sinnvoll?
- Was sind die Haupttreiber?
In Bezug auf Energieverbrauch und CO2-Emissionen sind es generell die Mobilität, die Strom- und Wärmeerzeugung und die IT-Infrastruktur, die Anlass zum Nachdenken geben sollten, gerade wenn es um Präsenzseminare geht. Der CO2-Veranstaltungsrechner des Umweltbundesamtes rechnet es vor: Neben dem Strom & Wärmeverbrauch zeigt der Rechner eindeutig, wie hoch die CO2-Belastung durch Kurzstreckenflüge, Autofahrten und Hotelübernachtungen tatsächlich ist. Ein eintägiges Präsenzseminar mit 14 Teilnehmer:innen verbraucht durchschnittlich 2 Tonnen CO2-Emissionen – das sind 25% der Emissionen eines Bundesbürgers pro Jahr. Hier stellt sich die Frage, ob dies in der Breite tatsächlich sinnvoll und nötig ist.
Fakt ist: Die Transformation hat bereits begonnen und es hängt von uns ab, wie wir sie gestalten. Unabhängig davon, was uns jeweils antreibt, ob es Interessen, Ziele, Wertvorstellungen oder gesetzliche Vorgaben sind: im Handeln und im Verhalten können wir zusammenwirken. Mit dem Futur2-Instrument von Harald Welzer gesprochen, könnte die Schlüsselfrage für eine Zukunftswerkstatt für Corporate Learning lauten: Was erzählen Ihre heutigen Auszubildenden, Ihre jungen Teilnehmer:innen in zwanzig Jahren über Sie und Ihre Lernorganisation? Wie wollen Sie selbst in den kommenden 5-10 Jahren lernen und arbeiten? Und was können Sie ab morgen verändern?