Von Beate Bruns – Digital Learning und flexible Arbeitsmodelle haben mehr gemeinsam, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Ein Beispiel ist die Corona-Pandemie. Sie hat Millionen von Menschen ins Home-Office gebracht – und Unternehmen dazu, sich intensiv mit Remote-Work auseinander zu setzen. Dabei signalisieren Umfragen, dass sich viele Mitarbeitende schon lange mehr Flexibilität in Form von z.B. ortsunabhängigem Arbeiten wünschen. Ein Bericht der IHK-Berlin zeigt, dass mehr als 47,4% der Unternehmen eine hybride Lösung planen, die beide Arbeitsformen kombiniert. Und auch Millennials und die Generation Z legen Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance und weniger starre Arbeitsmodelle. In diesem Blogartikel betrachten wir die kulturellen und Personalentwicklungs-Aspekte einer Remote-First-Strategie etwas genauer.
Remote first? Oder doch lieber wieder zurück ins Büro?
Anfang 2024 reduzieren gerade auch große Unternehmen der Digitalwirtschaft wieder die Freiheitsgrade ihrer Mitarbeitenden und schreiben Anwesenheitspflichten im Firmenbüro vor. Das ist das Gegenteil einer Remote-First-Strategie, für die Remote-Work der „Normalzustand“ ist, hybrides Arbeiten eine Option und die die Quadratmeter in Bürotürmen reduziert. Woran liegt das? Welches Mindset, welche Kultur braucht eine Organisation, in der die Remote-Arbeit wirklich funktioniert? Und wie sieht das in Bezug auf das digitale Lernen aus?
Oftmals ergibt sich die Notwendigkeit zur Remote Culture aus den Umständen. Nicht nur die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen, sondern auch die moderne Arbeitswelt fordert wesentlich mehr Flexibilität von Unternehmen und Organisationen. Fachkräfte aus allen Bereichen sind häufig nur zu gewinnen, wenn man ihnen die Möglichkeit zum Home-Office einräumt.
Kulturelle Aspekte
Das ortsunabhängige Arbeiten bringt Herausforderungen mit sich. Es erfordert einen Mindset- und Kulturwandel – von einer aufs Büro fixierten Kultur hin zu einer Remote Culture. Auch in anderen Berufen kann mit Hilfe von VR-Werkzeugen und digitalen Zwillingen zumindest teilweise ortsunabhängiger gearbeitet werden. Jüngst hat eine Supermarkt-Kette in Japan damit begonnen, mit ferngesteuerten Robotern Supermarktregale aufzufüllen und ihren Mitarbeitenden damit das Arbeiten von zu Hause zu erleichtern.
Remote Culture – alles eine Frage der Einstellung
In kaum einem Bereich zeigt sich der derzeit stattfindende (digitale) Kulturwandel so deutlich wie in der Arbeitswelt. Gut ausgebildete, technikaffine und international erfahrene Digital Natives der Generationen Y und Z stehen einer Arbeitswelt gegenüber, die – obgleich in weiten Teilen bereits digitalisiert – doch noch oft deutlich in analogen Mustern und Mentalitäten feststeckt.
Neue Generationen fordern jedoch immer mehr einen (digitalen) Kulturwandel. Dazu gehört nicht nur das nötige technische Equipment und die Möglichkeit zum ortsunabhängigen Arbeiten. Entscheidend ist vor allem ein Mindset, das auf die Volatilität der digitalen Welt ausgerichtet ist. Eine Remote First Culture ist dabei nur ein Baustein von vielen, mit denen Unternehmen, sowie Institutionen wie Universitäten, Schulen und Behörden den digitalen Wandel voranbringen, aber auch den Bedürfnissen der jungen Generationen Rechnung tragen.
Voraussetzungen für flexible Arbeitsmodelle
Natürlich sind flexible Arbeitsmodelle nicht die Antwort auf alles, können aber – falls richtig angewendet – außerordentlich viele Vorteile bieten.
Dennoch gibt es einige Must-Haves, damit flexible Arbeitsmodelle und erst recht eine Remote-First-Strategie in der Praxis funktionieren können:
- Kommunikation online und offline
- Ergebnisorientierung der Führung
- Gleichberechtigter Informationszugang inhouse und im Home-Office bzw. Remote
Must-Have Nr. 1: Kommunikation online und offline
Die Corona-Pandemie hat es gezeigt: Viele zwangsweise ins Homeoffice geschickte Arbeitnehmer:innen wurden plötzlich aus ihrem gewohnten Arbeits- und Lernalltag herausgerissen. Die meisten vermissten den persönlichen Austausch mit anderen. Die Kommunikation und die Zusammenarbeit ist eine gänzlich andere, wenn alle im Home-Office arbeitet. Beiläufige Möglichkeiten des Austauschs wie in der gemeinsamen Kaffeeküche oder beim Mittagessen entfallen. Stattdessen findet die Kommunikation ausschließlich über digitale Kanäle statt – dabei bleibt das Zwischenmenschliche schnell auf der Strecke.
Für eine gesunde Remote First Culture müssen daher Kommunikationskanäle und Begegnungsräume sowohl online wie auch offline verfügbar sein.
Must-Have Nr. 2: Ergebnisorientierung der Führung
In einer Kultur, die auf Kontrolle und physischer Anwesenheit basiert, führt die Einführung von Remote Work oft zu Verunsicherung. Arbeitszeiten können schließlich nicht mehr zuverlässig kontrolliert werden. Stattdessen müssen Vorgesetzte ihren Mitarbeitenden einen Vertrauensvorschuss einräumen, was die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden angeht.
Durch den Kulturwandel, der sich aus der Digitalisierung ergibt, wirkt ein starres Arbeitszeiten-Modell veraltet. Es ist nicht erst seit der Corona-Pandemie (teilweise) obsolet geworden. Vertrauensarbeitszeit bei maximaler (örtlicher und zeitlicher) Flexibilität hat nachweislich positive Auswirkungen auf die Motivation und damit auf die Produktivität der Mitarbeitenden. Nur in wenigen Fällen wirkt es sich negativ auf die Leistung aus. Unabhängig davon ist es wichtig, bei den einzelnen Mitarbeitenden zu differenzieren. Gerade neue Teammitglieder benötigen unter Umständen mehr Begleitung, Präsenzzeiten und direkte Unterstützung im persönlichen Kontakt. Das gilt auch für Mitarbeitende, die auf sich allein gestellt weniger Leistung bringen.
Entscheidend ist hier das Umdenken weg von einer „Zeit gegen Geld“-Mentalität und hin zu einer ergebnisfokussierten Arbeitsweise: Was zählt, sind die Ergebnisse, die die Teammitglieder bringen – wann, wie und wo sie arbeiten, ist dabei nebensächlich.
Must-Have Nr. 3: Gleichberechtigter Zugang zu Informationen inhouse und im Home-Office bzw. Remote
Ein Problem, das viele Unternehmen und Institutionen im Homeoffice beklagen, ist ein unzureichender Zugang zum Informationsfluss. Dabei sind nicht nur der altbekannte „Flurfunk“ und die Gespräche an der Kaffeemaschine gemeint. Vor allem geht es um die mangelnde Zentralisierung wichtiger Informationen im Sinne einer Single-Source-of-Truth. Digitale Tools wie das Cloud Computing und organisationsinterne Netzwerke sind entwickelt worden, um genau diese Probleme zu beheben. Allerdings müssen diese von den Unternehmen und Institutionen auch richtig angewendet werden. Digitale Datenbanken und Kommunikationskanäle benötigen Pflege und Wartung und müssen auch sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Alle Mitarbeitenden sollten Zugang zu den gleichen digitalen Tools (Hardware, Software, VPN) erhalten, damit Informationen und Unterlagen dem gesamten Team unabhängig vom Standort zur Verfügung stehen können.
Wie hängen Digital Learning und flexible Arbeitsmodelle zusammen?
In der Welt des digitalen Lernens ist eine Remote-First-Kultur fast schon eine Selbstverständlichkeit. Dennoch können auch Lernende und Lehrende sowie deren Institutionen von den Remote-Work-Erfahrungen profitieren und somit die Digital Learning-Experience verbessern. Umgekehrt gilt: Wer bereits Erfahrungen mit digitalem Lernen in der Organisation gemacht hat, profitiert von diesen Learnings für Remote Work.
So gelingt das digitale Lernen:
- Austausch fördern
- Zufriedenheit messen
- Digitale Lernumgebungen umfangreich nutzen
- Flexibel bleiben
Austausch fördern
Wie auch im Arbeitsleben, beklagen Lernende im Homeoffice gelegentlich den fehlenden Austausch mit anderen. Auch beim digitalen Lernen sollte also die direkte Kommunikation mit anderen Kursteilnehmenden sowie mit Trainer:innen nicht zu kurz kommen. Peer-to-Peer-Interaktionen, aber auch die Kommunikation mit dem Lehrpersonal sind für eine gute Lernerfahrung unschätzbar wertvoll. Diese Instrumente sollten daher sowohl über digitale Lernplattformen als auch „in echt“ praktiziert werden. Ob zwanglose Meet-Ups, persönliche Veranstaltungen oder soziale Events, die virtuell stattfinden – wo immer möglich, bedarf es eines regelmäßigen Austausches zwischen Lernenden und Lehrenden.
Zufriedenheit messen
In Umfragen oder Feedback-Runden können Kursteilnehmende befragt werden:
- Wie geht es dir mit dem Lernprozess?
- Wo sind Hürden?
- Wie bewertest du deinen eigenen Lernfortschritt?
- Fühlst du dich gut genug betreut?
- Welche Fragen hast du?
- Fühlst du dich isoliert in deiner Lerngruppe oder bist du gut im Austausch?
- Besteht Bedarf an weiteren Lernangeboten oder Tutorials?
Übrigens: Mittels gängigen Learning Experience Platforms können solche Umfragen gestartet und Lernfortschritte gemessen werden.
Digitale Lernumgebungen umfangreich nutzen
Learning Management Systeme bieten mannigfaltige Möglichkeiten zum Austausch und zum selbstgesteuerten Lernen – jedoch nur, wenn sie richtig genutzt werden.
Lehrende können hier durchaus kreativ werden. Inhalte als PDFs oder Word-Dokumente hochzuladen, ist für sich schon eine gute Sache. Doch da ginge noch mehr, indem sie z.B. Quizzes, Videos und Audiodateien als Feedback erstellen und mit den anderen teilen. Oder indem sie eigenständig Diskussionen anregen und moderieren. Je kreativer und interaktiver das digitale Lernen stattfindet, umso nachhaltiger werden die Lerninhalte auch verankert.
Flexibel bleiben
In einer Remote-First-Kultur ist Agilität das A und O. Nicht immer läuft alles nach Plan und oft müssen Abläufe und Inhalte geändert und angepasst werden. Das gilt auch fürs digitale Lernen!
Fazit: Eine Remote-First-Kultur ist vor allem eine Sache des Mindsets. Sie erfordert Planung und Ressourcen auf der einen Seite und eine flexible Denkweise auf der anderen Seite.
Doch das lohnt sich: Remote-First ist die Zukunft, nicht nur für Unternehmen, sondern zunehmend auch in der Welt des Lernens. Auch der Aspekt Klimafreundlichkeit ist nicht zu unterschätzen. So sorgen weniger Pendelzeiten und Bürotürme sowie die passende Green-IT-Infrastruktur dafür, dass auch in Zukunft ressourcenschonender gearbeitet wird.