Von Beate Bruns und Dr. Cäcilie Kowald – Wie Social Learning die Weiterbildung revolutioniert, lässt sich insbesondere in der digitalen Form sehr gut beobachten. Social Learning ist die vielleicht älteste und natürlichste Form des Lernens. Der Begriff bezeichnet im Grunde nichts anderes als das gemeinsame Lernen in einer Gruppe von Gleichgesinnten. Das Lernen von- und miteinander bildet seit jeher die Grundlage für die Weitergabe von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Diesen Zusammenhang können wir auch im E-Learning nutzen.
Wie Social Learning die Weiterbildung revolutioniert und die Hochschullehre verändert
Die Relevanz des informellen Lernens
Die Didaktik geht davon aus, dass wir nur etwa 10 Prozent unseres Wissens durch Wissensvermittlung in Kursen oder Schulungen erhalten. Den größten Teil unseres Wissens erwerben wir hingegen, wenn wir Erfahrungen machen, Probleme bewältigen oder Themenfelder erarbeiten und uns darüber mit anderen austauschen. Diesen Effekt macht sich Social Learning zunutze. Im Zuge der Digitalisierung hat das Prinzip des gemeinsamen Lernens ganz neue Dimensionen erreicht. Soziale Medien, Netzwerke und Apps dienen als Plattform für digitalen Gruppenunterricht und schaffen Räume für das so wertvolle Peer-to-Peer-Feedback.
Social Learning bedeutet also nicht nur, dass Schulungs- und Unterrichtsmaterial online zur Verfügung gestellt wird. Vielmehr beteiligen sich Lernende aktiv am digitalen Lerngeschehen und gestalten es selbst oder mindestens mit. Dies geschieht, indem sie sich zum Beispiel in Foren miteinander vernetzen, austauschen und das Gelernte wiedergeben und reproduzieren.
Technische Grundlage für Social Learning
In der Praxis werden Social Learning Konzepte mittels Lernplattformen, sozialen Netzwerken oder Foren realisiert. Auch können einzelne Plattformen und Tools miteinander kombiniert werden. Schon längst nutzen Universitäten digitale Plattformen wie Moodle. Dozenten laden Folien oder Literaturlisten hoch und Studierende fassen das Gelernte zusammen, wenden es an und teilen es miteinander.
Beim Social Learning stehen Plattformen zur Wissensvermittlung und -Speicherung in einer Reihe mit Kommunikationstools. Das Wissen wird von der Gruppe gemeinsam erarbeitet und anschließend als Wiki, Blog oder Präsentation gespeichert und präsentiert. Ebenso wichtig ist die niedrigschwellige Kommunikation der Teilnehmer untereinander. In einem Chat kommunizieren sie synchron, in Foren und ähnlichen Tools eher asynchron. In beiden Fällen können sie Fragen an die Gruppe stellen, Peer-to-Peer-Feedback erhalten, Wissen teilen und diskutieren.
Wie Social Learning durch informelles Lernen die Weiterbildung revolutioniert
Informelle Lernprozesse spielen auch bei Weiterbildungsaktivitäten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Social Learning in Betrieben geht weg von klassischen Trainings und fußt mehr auf sozialer Interaktion. Schon jetzt geht es nicht mehr darum, sich Expertenwissen nur in Seminaren anzueignen. Gerade im Berufsalltag gibt es zahlreiche Situationen, wo ein adhoc-Wissen gefragt ist. Sei es eine Excel-Funktion, die man noch nicht kennt, oder eine Frage, die sich in einem Projektmeeting spontan ergibt und schnell gegoogelt oder in Foren nachgelesen wird. Im Vordergrund steht jedoch immer der soziale Austausch. Netzwerktreffen, Peer-Coaching oder die Beratung durch Kolleg:innen gehören ebenfalls mit dazu. Auch die Nutzung von Social Media und mobilen Endgeräten ist für viele Mitarbeitende schon längst zur Routine geworden und bahnt sich seinen Weg in die betriebliche Weiterbildung. Viele Mitarbeiter:innen nutzen soziale Netzwerke:
- um sich über Entwicklungen und Trends in ihrer Branche auf dem Laufenden zu halten (z.B. über Twitter und RSS Feeds),
- um Artikel, Erfahrungen und Wissenswertes weiterzugeben und sich zu vernetzen (LinkedIn, Xing, Facebook) oder
- um schnell Antworten auf Fragen und Probleme im Berufsalltag zu finden (z.B. YouTube, Wikipedia)
Die Unternehmen führen selbst virtuelle, soziale Netzwerke ein, um den organisationsweiten Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch zu unterstützen. Gerade dem Aufbau einer organisationsinternen Lerncommunity kommt eine bedeutende Rolle zu, die es aber auch zu managen und begleiten gilt.
Wie manage ich eine Lern-Community?
In einer Lern-Community gibt es meist eine Fülle unterschiedlicher Ressourcen zu bestimmten Themen: YouTube-Videos, Artikel, Links, aber auch Gruppen und Diskussionsforen, die allen Mitarbeiter:innen zugänglich sind.
Durch eine Lern-Community können bestehende Gruppen virtuell vernetzt werden, um ihren aktiven Erfahrungsaustausch zu unterstützen. Jedoch lebt eine Community immer von den Aktivitäten der Teilnehmer:innen, von regelmäßigem Content wie z.B. Blog-Posts, Kommentaren und Likes. Doch diese Aktivitäten „passieren“ nicht einfach, sobald eine Lern-Community eröffnet wird. Die Inhalte sollten immer einen Mehrwert bieten und den Mitgliedern der Lern-Community exklusiv vorbehalten sein. Die Community erfordert genauso wie ein Corporate Blog Rollen und Verantwortlichkeiten sowie einen festen Redaktionsplan und eine eindeutige Strategie:
- Welchen Mehrwert bietet die Lerncommunity ihren Teilnehmenden? Welchen Nutzen ziehen sie daraus für ihren Berufsalltag?
- Wie kann die Community in bereits bestehende Infrastrukturen im Unternehmen eingebettet werden?
- Wie kann ich einzelne aktivieren, ihren Beitrag zur Community zu leisten und an der Stange zu bleiben?
Welche Rolle spielt die Führungsebene im Social Learning?
Die aktive Unterstützung durch die Führungsebene ist für das Social Learning sehr wichtig, denn sie trägt wesentlich zum Erfolg der Lern-Community bei. Häufig bedeutet dies einen Kulturwandel, gerade in Organisationen, in denen Social Learning noch keine wesentliche Rolle spielt. Selbstgesteuertes, informelles Lernen wird häufig noch mit Zeitvertreib oder Ineffizienz gleichgesetzt, den Verantwortlichen fällt es schwer, die Kontrolle über Weiterbildungsprozesse aus der Hand zu geben.
Selbstverständnis der Führungskraft: Freiraum oder Kontrolle?
Doch die essentielle Frage lautet hier: Wieviel Freiraum erhalten die Mitarbeiter:innen für das eigenständige Lernen?
Das Lernen am Computern in Foren und Chats zu kontrollieren und protokollieren ist nahezu unmöglich, insofern erfordert es einen Vertrauensvorschuss, was die Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit der Mitarbeiter:innen betrifft. So müssen gewisse Rahmenbedingungen geschaffen werden, um das Potential des kollaborativen, vernetzten Lernens voll auszuschöpfen.
Eine Kultur für Lernen
Neben der technischen Infrastruktur braucht es eine Unternehmenskultur, die den offenen Wissens- und Erfahrungsaustausch fördert, denn Wissen ist eine Ressource, die stärker wird, sobald sie geteilt wird. Zudem ist Wissen kurzweilig und schnell überholt, insofern trägt Vernetzung dazu bei, Wissen schnell und unbürokratisch an den Empfänger zu bringen. Für Mitarbeiter:innen sollte Wissenserwerb nicht nur bedeuten, WBTs und Seminare zu absolvieren, sondern die Entwicklung der eigenen Fachkompetenzen selbstverantwortlich in die Hände zu nehmen, wozu es wiederum Freiraum von Seiten der Führungsebene braucht.
Social Learning in der Wissensarbeit
Social Learning ist ein Schlüsselfaktor der digitalen Transformation und der Wissensgesellschaft 4.0, die Unternehmen als lebende, atmende Organisationen betrachtet. Für Mitarbeiter:innen, die diese neuen Möglichkeiten des Lernens und Arbeitens nutzen möchten, braucht es – gerade um Informationsüberflutung entgegenzuwirken, neue Verhaltensweisen und Routinen. Sie benötigen Informations- und Medienkompetenz, die ihnen als Kompass beim Navigieren durch zukünftige Lernumgebungen dient. Bildungsverantwortliche oder Learning & Development-Expert:innen können Mitarbeitende hierbei gezielt mit Curricula unterstützen.
Wie Social Learning die Weiterbildung revolutioniert – Ausblick und Fazit
Ausblick
Die moderne Form des Lernens, also das gemeinsame Erarbeiten und Anwenden des Lernstoffs innerhalb einer Learning Community, hat zahlreiche Vorteile. Es fördert Skills wie selbstorganisiertes Lernen, Selbstwirksamkeit, Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit – alles Qualitäten, die auch im Beruf eine wichtige Rolle spielen. Zugleich verändert sich beim Social Learning aber auch die Rolle der Lehrenden: Sie werden zunehmend zu Lernbegleiter:innen und sind nicht mehr nur in ihrer Rolle als bloße Wissensvermittler zu verstehen.
Beim Social Learning geht es schließlich darum, dass die Lern-Community die Wissensinhalte selbstorganisiert erarbeitet, während die Lehrperson/ Trainer / Coaches bei Fragen zur Verfügung stehen, Ratschläge oder Arbeitsaufträge erteilen und nur bei Bedarf aktiv in den Lernprozess eingreifen. Gerade durch das eigene Erarbeiten des Lerninhaltes und die dynamische Form der Wissensvermittlung werden nachhaltigere Lernerfolge erzielt als beim Frontalunterricht oder bei klassischen Lernmethoden.
Zugleich wirkt sich das Lernen im Team auch sozial positiv auf die Gruppe aus: Die Teilnehmer:innen können gemeinsam einen oder mehrere Lösungsansätze erarbeiten und das gemeinschaftlich erfahrene Wissen speichern, sodass auch Menschen, die später zur Gruppe stoßen, schnell den Anschluss erhalten. Dadurch erleichtert Social Learning zum Beispiel das Onboarding neuer Mitarbeiter:innen. Social Learning ist zudem zeit- und ortsunabhängig durchführbar, sodass jeder Lernende den Stoff in seinem eigenen Tempo individuell erarbeiten kann.
Fazit
Im Bereich Corporate Learning und Weiterbildung wird Social Learning zunehmend Bedeutung erlangen. Die Benutzerfreundlichkeit und intuitive Handhabung von Web 2.0-Tools sowie die Tatsache, dass digitale Fähigkeiten gerade bei jüngeren Generationen zunehmend etabliert sind, zeigen, dass Social Learning das Zeug zur Lernmethode der Zukunft hat. Neben einer Unternehmenskultur, die den informellen Wissensaustausch fördert, braucht es die passende Infrastruktur wie zum Beispiel ein Learning Management System mit Social Learning Funktionalität.
Gerne beraten wir Sie unverbindlich zu diesem Thema!